Produktivität im 21. Jahrhundert – werden wir immer unproduktiver?
Während einige allerdings ein positives Fazit ziehen und vor allem die Vorteile und Möglichkeiten des nun endlich etablierten Homeoffice predigen, kommen andere zu einer ernüchternden Bilanz:
Eine Befragung von Personio zu den Erfahrungen der Unternehmen im Pandemiejahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass es um die Produktivität in vielen Unternehmen nicht allzu gut bestellt ist – und, dass sich dieser Trend aufgrund zu weniger Ressourcen und dem Fokus auf anderen vorrangigen Problemen in Zukunft noch verstärken könnte. Wir erklären, welche Faktoren die Produktivität Ihrer Mitarbeiter hemmen und wie Sie effektiv eingreifen können.
Wie berechnet man die Produktivität?
„Heute war ich wirklich produktiv und hab‘ ordentlich was geschafft“ oder „Der Tag heute war nicht sehr produktiv“ sind Sätze, die bestimmt jeder schon einmal im Alltag gehört hat. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnen wir als produktive Tätigkeit, was uns beim Abarbeiten unserer To-Do-Liste hilft und Ergebnisse produziert. Ein Projekt fertigzustellen und an den Kunden zu schicken, empfinden wir daher als produktiver als ein Meeting – selbst, wenn beide wichtige Teile des gesamten Arbeitsprozesses sind. In der VWL und BWL ist die Produktivität eine genau definierte Größe:
Bei den meisten Angestellten ist der Output der Gewinn, den das Unternehmen mit ihrer Arbeitskraft macht. Der Input sind hingegen die bezahlten Arbeitsstunden und damit die Kosten, die für die Beschäftigung entstehen. In der Produktion fließen noch Ausgaben für Maschinen und Rohstoffe in die Gleichung ein. Natürlich lässt sich unternehmensintern nur schwer messen, wie viel jeder Einzelne und jede Einzelne zum Gesamtumsatz beiträgt. Schließlich sind Verkäufe und Produktion in unserer hochspezialisierten Welt keine isoliert beobachtbaren Prozesse. Überall sind Teams und ganze komplexe Produktionsketten am Werk. Zumindest für ein gesamtes Unternehmen lässt sich die Produktivität aber vergleichsweise einfach bestimmen. Sie hilft Ihnen zu bestimmen, ob Ihre Prozesse bereits gut durchdacht und effektiv sind oder ob Sie Potenzial verschenken. Außerdem finden Sie heraus, ob Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz nötig sind und ob sich diese als wirksam erweisen.
„Heute war ich wirklich produktiv und hab‘ ordentlich was geschafft.“
Die Entwicklung der Produktivität in Deutschland
Während unsere Produktivität im Alltag ein subjektives Empfinden ist, lässt sich die Arbeitsproduktivität von Unternehmen messen und statistisch auswerten. Wirtschaftsforscher nutzen hierfür bei einzelnen Betrieben den Umsatz, beziehungsweise den Gewinn, pro Mitarbeiter. Um das Wirtschaftswachstum einzelner Länder zu analysieren, kommt das Bruttoinlandsprodukt pro erwerbstätigem Menschen zum Einsatz. Forschungsdaten zeigen, dass es in Deutschland nach der Wiedervereinigung Anfang der 90er Jahre eine starke Produktivitätssteigerung gab. Grund dafür war vor allem die Modernisierung ostdeutscher Betriebe, die einen sogenannten Aufholeffekt verursachte. Im Laufe der Zeit schwächte sich dieser Effekt ab. Trotzdem wurden die Deutschen, wie die meisten Industrienationen, jedes Jahr einige Prozent produktiver. Lediglich in und nach der Finanzkrise 2009 und 2010 setzte die Produktivitätssteigerung aus. Tatsächlich werden Unternehmen und Beschäftigte in Deutschland also mit jedem Jahr produktiver. Woher kommen dann Berichte, die vor steigender Unproduktivität warnen?
Viele beziehen sich nicht auf die betriebswirtschaftliche Definition, sondern benutzen die Alltagsverwendung von Arbeitsproduktivität. Sie stützen diese These mit dem subjektiven Eindruck von Beschäftigten bei Befragungen oder untersuchen zum Beispiel, wie viel ihrer Arbeitszeit Angestellte tatsächlich mit Arbeiten verbringen. Andere sehen in dem sich abschwächenden Wachstum der Produktivität bereits eine Gefahr. Denn andere Länder wie das Vereinte Königreich, die USA oder aufstrebende Nationen wie China und Indien haben eine größere Produktivitätssteigerung. Das könnte langfristig die Stellung von Deutschland als internationale Größe und das derzeit vergleichsweise hohe Lohnniveau gefährden.
Was sind die 10 größten Produktivitätskiller am Arbeitsplatz?
In Studien und Untersuchungen finden sich gleich eine ganze Reihe von Faktoren und Umständen, die sich negativ auf die Produktivität von Arbeitnehmer:innen auswirken. Die meisten von ihnen lassen sich mit einigen wenigen Maßnahmen verhindern oder entgegenwirken. Für eine Produktivitätssteigerung in Ihrem Unternehmen sind diese zehn Bereiche also ein guter erster Ansatz.
1. Faktor, der Arbeitsproduktivität hemmt: Unterbrechungen
„Hey, hast du gerade mal eine Minute?“ Egal, ob die Antwort ‚ja‘ oder ‚nein‘ lautet – jede noch so kleine Unterbrechung unserer Konzentration kostet uns bis zu 20 Minuten produktive Zeit. So lange dauert es Studien zufolge, um sich wieder in die jeweilige Aufgabe zu vertiefen. Indem Angestellten ungestörte Arbeitszeiten und auf konzentriertes Arbeiten ausgerichtete Büros zur Verfügung stehen, können diese vor allem bei komplizierten und komplexen Aufgaben produktiver werden.
2. Produktivitätskiller: Benachrichtigungen und E-Mails
Etwa 20 E-Mails bekommen Berufstätige am Tag. Das sind 20 Unterbrechungen im Workflow. Unnötig, denn oft sind die Verteiler zu groß und die Nachrichten betreffen gar nicht jeden darin. Lösungen gibt es hier viele: Neben dem Abschalten der Pop-ups und Priorisierungen bei E-Mails oder einem weniger aufwendigen Nachrichtentool im Intranet liegt es auch an den Mitarbeiter:innen, ihre Mails beispielsweise nur einmal in der Stunde zu checken – immer noch häufig genug, um auf dringende Anliegen zeitnah zu reagieren.
3. Auch Multi-Tasking lässt Arbeitsproduktivität sinken
Eine Flut an Aufgaben, die auf den ersten Blick nicht anders zu bewältigen scheint – da fühlt es sich gut an, mindestens zwei Dinge gleichzeitig zu erledigen. Studien belegen, dass man beim Multitasken im Schnitt aber länger für die einzelnen Aufgaben braucht und die Ergebnisse darüber hinaus auch schlechter sind. Besser ist es, die Punkte nach ihrer Wichtigkeit abzuarbeiten. Mit Priorisierungen und entsprechenden Schulungen helfen Sie Ihren Mitarbeiter:innen dabei, auch bei Stress effektiv zu bleiben.
4. Produktivitätskiller: Meetings
Lange und unnötige Meetings fühlen sich nicht nur unproduktiv an, sie sind es auch. Zu viele Teilnehmer:innen, keine Agenda und ein fehlender Zeitplan führen zu viel Gerede ohne konkrete Ergebnisse. Natürlich sind Meetings und Absprachen in vielen Bereichen unbedingt nötig. Indem Sie hier die Agenda vorher festlegen, bekanntgeben und streng durchziehen, machen Sie aus stundenlangem gelangweiltem Herumsitzen einen produktiven Austausch mit Mehrwert für alle Beteiligten.
5. Produktivität leidet unter fehlenden Zielvorgaben
Wissen Ihre Mitarbeiter:innen, was von ihnen erwartet wird? Tages-, Wochen-, Monats- und Quartalsziele helfen dabei, dem täglichen Geschäft mehr Sinn und eine Richtung zu verleihen. Sie dienen als Anreiz für Produktivität und eine gute Leistung und tragen damit erheblich zur Motivation bei. Warum sollten sich Angestellte anstrengen, wenn es ihnen nichts bringt und es vielleicht nicht einmal jemand bemerkt.
6. Produktivitätskiller: Fehlende Anreize
Was erwartet Ihre Angestellten, wenn sie ihre Aufgaben schneller als unbedingt nötig erledigen? In vielen Unternehmen übernehmen produktive Teammitglieder einen Teil der Arbeit der weniger leistungsfähiger Kolleg:innen. Das mag sinnvoll sein, ist für Ihre besten Mitarbeiter:innen jedoch frustrierend. Anerkennung in Form von Boni und Gehaltserhöhungen helfen Ihnen, Top-Performer zu belohnen und Anreize für mehr Produktivität zu schaffen.
7. Stress killt Produktivität auf vielerlei Hinsicht
Stress führt gleich auf zwei Arten zu großen Produktionsverlusten: Einerseits steigen seit Jahren die Fehltage durch psychische und stressbedingte Erkrankungen wie Burnout, Depressionen, Angststörungen und Co. Andererseits sind gestresste Angestellte weniger leistungsfähig. Indem Unternehmen zum Beispiel bei der Kinderbetreuung unterstützen oder Fahrtwege durch Homeoffice reduzieren, tragen sie einen wesentlichen Teil zur Stressreduzierung und damit der Produktivitätssteigerung ihrer Belegschaft bei.
8. Fehlende Standards verhindern produktive Arbeitsprozesse
Wenn verschiedene Mitarbeiter:innen die gleiche Aufgabe auf unterschiedliche Art und Weise lösen, ist das nicht immer schlecht. Gerade wenn es um die Einarbeitung neuer Angestellter geht, helfen einheitliche und verschriftliche Standards hingegen enorm. Natürlich kostet das Erstellen eines solchen Regelwerks erst einmal Zeit. Später reduziert es jedoch Unterbrechungen im Workflow Ihrer Angestellten, weil jeder die Anweisungen einfach nachschlagen kann, anstatt Kolleg:innen um Rat zu fragen. Auch die Qualität der einzelnen Arbeitsschritte steigt in der Regel mit einheitlichen Standards.
9. Produktivitätskiller: Schlechte Software
Ein Programm, das Angestellten hilft, vormals drei Arbeitsschritte auf einmal durchzuführen, verbessert natürlich die Produktivität. Viele Unternehmen scheuen sich jedoch, in effiziente Software zu investieren. Gleichzeitig sorgen zu viele unterschiedliche Tools dafür, dass Mitarbeiter:innen häufiger zwischen einzelnen Anwendungen umschalten müssen und erhöhen das Risiko, dass Kompatibilitätsprobleme auftauchen. Gut ineinandergreifende Software mit möglichst vielen Möglichkeiten, einfache Arbeitsschritte zu automatisieren sind daher in der Regel eine lohnende Investition, die die Produktivität von Unternehmen beflügeln kann.
10. Fachkräftemangel als ultimatives Hindernis für mehr Produktivität
Zu wenig Fachkräfte sorgen dafür, dass immer mehr Arbeit liegenbleibt, die Produktion zurückgefahren werden muss und Neukunden abgelehnt werden müssen. Alternativ versuchen Führungskräfte die Lücken mit weniger qualifizierten Angestellten zu stopfen. Diese sind aber oft erheblich langsamer und machen mehr Fehler. Ein wichtiger Faktor für ein produktives Unternehmen ist daher ein erfolgreiches Recruiting auch in Zeiten des Fachkräftemangels.
Droht bald die Produktivitätskrise?
Eine Studie im Auftrag des Dienstleisters International SOS kam jüngst zu dem Schluss, dass die Produktivität von Beschäftigten in Zukunft im Allgemeinen und insbesondere im nächsten Jahr weiter sinken wird. Verantwortlich für diese Entwicklung zeichnen sie vor allem folgende Faktoren:
• Coronapandemie
• Psychische Gesundheitsprobleme
• Naturkatastrophen und extremes Wetter
• Verkehrsprobleme
• Zivile Unruhen
Das Umfeld verschärft sich in vielen Aspekten zunehmen. Deshalb sind Unternehmen immer stärker in der Pflicht, für ihre Angestellten zu Sorgen und diese vor gesundheitlichen Risiken zu schützen – sei es durch Hygienemaßnahmen und –regelungen oder eine ausgeglichene Work-Life-Balance zur Verbeugung psychischer Erkrankungen. In jedem Fall wird es in Zukunft nur gelingen, leistungsfähige Arbeitnehmer:innen zu halten, wenn diesen ein attraktiver und sicherer Arbeitsplatz geboten wird.
Fazit: Produktivität als wichtiger Erfolgsfaktor
Statistiken belegen: Wir werden nicht immer unproduktiver. Gleichzeitig schaffen es aber viele Unternehmen in Deutschland nicht, neue Technologien und Möglichkeiten so zu integrieren, dass sie ihre Produktivität weiter steigern können. In Sachen Produktivitätssteigerung könnten die hiesigen Firmen also besser dastehen. Vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen fällt es oft schwer, ihre Prozesse zu digitalisieren und dadurch ihre Produktivität zu steigern. Aber auch im Alltag lauern noch viele Produktivitätskiller, die unnötig Zeit und Nerven fressen.