Unternehmenskultur: Was ist das genau?
Unter einer Kultur versteht man Wertvorstellungen und erlernte Verhaltensweisen, die eine bestimmte Gruppe von Menschen miteinander teilen. In der Unternehmenskultur bezieht sich das folglich auf eine Firma. Dabei kann die Unternehmenskultur zwischen verschiedenen Niederlassungen oder Abteilungen variieren. Vereinfacht kann die Unternehmenskultur als die Persönlichkeit einer Organisation angesehen werden.
Die drei Ebenen der Unternehmenskultur nach Edgar Schein
Der Sozialwissenschaftler Edgar Schein entwickelte zur besseren Darstellung und einem tieferen Verständnis von Kultur in Unternehmen das sogenannte Kulturebenen-Modell. Es macht deutlich, wie sich eine Unternehmenskultur sowohl als Denkmuster als auch als Verhaltensweisen manifestieren kann:
Ebene 1
Ebene 2
Ebene 3
Der Unternehmenskultur zugrundeliegende Annahmen können in verschiedene Dimensionen eingeteilt werden:
• Natur des Menschen: Menschen sind gut/schlecht/unveränderbar/lernfähig
• Beziehung zur Umwelt: kooperativ/abgrenzend/feindselig/neugierig
• Menschliche Beziehungen: hierarchisch/abgegrenzt/individuell
• Zeitorientierung: Vergangenheit (traditionell)/Gegenwart/Zukunft (innovativ)
• Handlungsnatur: reaktiv/kontrollierend/bestimmend/aktiv
Was sagt das Unternehmenskultur Eisbergmodell aus?
Der Anthropologe Edward T. Hall prägte das sogenannte Eisbergmodell der Unternehmenskultur. Ähnlich wie Schein unterscheidet er zwischen sichtbaren und unsichtbaren Kulturelementen. Erstere stehen an der Spitze des Eisbergs, der über das Wasser hinausragt. Sie stellen aber nur einen kleinen Teil der gesamten Unternehmenskultur dar. Unter Wasser befinden sich eine Vielzahl an unsichtbaren und teilweise auch nicht bewussten Faktoren wie die Beziehungen zwischen einzelnen Mitarbeitern, Hierarchien, Regeln, Werte, Normen, Einstellungen und Gefühle.
Wie entsteht eine Unternehmenskultur?
Unternehmenskulturen werden von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Bei der Gründung eines neuen Unternehmens bringen die neuen Angestellten ihre eigenen Grundannahmen und in anderen Betrieben erlernte Bestandteile von Unternehmenskultur mit in die neue Organisation. Bei der Ausformung ihrer Beziehungen untereinander und in der Struktur erfolgt die Einigung auf gewissen Annahmen, Werte und Verhaltensweisen. Wird dies nicht von der Führungsebene aktiv angeleitet, entstehen Unternehmenskulturen oft als größter gemeinsamer Nenner der Belegschaft. Im Laufe der Zeit verfestigt sich die “Corporate Culture”. Neue Mitarbeiter:innen bringen bei ihrer Einstellung nicht mehr ihre eigenen Werte mit ein. Stattdessen passen sie sich den vorgegebenen Werten und Verhaltensweisen an und erlernen darüber auch die unausgesprochenen Grundannahmen. Dieser Effekt verstärkt sich dadurch, dass bei Neueinstellungen Bewerber:innen, die zur Unternehmenskultur passen, bevorzugt werden. Gleichzeitig ziehen Unternehmen vor allem Interessent:innen an, die sich in den kommunizierten und gelebten Werten und Grundannahmen wiederfinden. Im Laufe der Zeit verfestigt sich die Unternehmenskultur zunehmend. Das heißt aber nicht, dass sie unveränderbar wird. Mit gezielten Interventionen kann eine Unternehmenskultur nachhaltig beeinflusst und verändert werden. Wichtig ist dabei, dass nicht nur auf der sichtbaren, sondern auch auf der abstrakten Ebene angesetzt wird.
Wer beeinflusst die Unternehmenskultur?
Da eine Kultur immer auf geteilten Werten und Verhaltensweisen beruht, kann theoretisch jedes einzelne Mitglied eines Unternehmens diese beeinflussen. Dabei gilt: Je größer ein Unternehmen ist und je mehr Angestellte es hat, desto kleiner ist der Einfluss eines jeden. Gleichzeitig kann es dazu kommen, dass sich parallel zur einheitlichen Unternehmenskultur einzelne Abteilungs- oder Teamkulturen entwickeln, die sich zum Teil stark unterscheiden.
Sie glauben nicht, dass eine einzelne Sekretärin die gesamte Unternehmenskultur verändern kann? Hier ein Gegenbeispiel:
Frau H., die Empfangsdame des Inhabers ist, anders als ihre Vorgängerin, stets gut gelaunt und geduldig. Sie hilft allen Gästen und Angestellten nach bestem Wissen und Gewissen weiter – egal, wie viel Druck sie von ihrem cholerischen Vorgesetzten bekommt. Schon wenige Wochen nach ihrer Einstellung sind Team- und Abteilungsleiter nicht mehr so angespannt, wenn sie Fragen an die Führungsebene haben, weil Frau H. ihnen stets freundlich begegnet. Ihre nun entspannte Haltung überträgt sich auf ihre Mitarbeiter:innen und schafft ein positiveres Betriebsklima. Gleichzeitig sehen einige Frau H. als Vorbild und verhalten sich ebenfalls geduldiger, was die Stimmung zusätzlich verbessert.
Zugegeben: Das Beispiel von Frau H. ist unrealistisch optimistisch. Anstatt die gesamte Unternehmenskultur um 180 ° zu drehen, würde jeder vernünftige Mensch dem cholerischen Vorgesetzten kündigen und sich ein besseres Unternehmen suchen. Trotzdem zeigt es, wie eine einzelne Person ein Teil der Veränderung sein kann. Das Beispiel von Frau H. macht ebenfalls deutlich, dass der einfachste Weg für eine Kulturveränderung in Unternehmen über die Führungsebene erfolgt. Für viele Angestellte ist ihr:e Vorgesetzte:r ein wichtiges Vorbild in Sachen Unternehmenskultur, dem sie (unbewusst) nacheifern. Wer als Führungskraft eine neue Unternehmenskultur anstrebt, sollte deswegen am besten bei sich selbst anfangen.
Lässt sich Unternehmenskultur messen?
Die kurze Antwort auf diese Frage lautet „Nein, aber ja.“: Unternehmenskultur lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Auch die Einteilung in eine gute und eine schlechte Unternehmenskultur ist gar nicht so einfach und erfolgt oft subjektiv. Wenn Sie wissen wollen, wie es in Ihrem Betrieb in Sachen Kultur aussieht, ist eine Mitarbeiterbefragung das beste Instrument, um einen ersten Überblick zu bekommen. Neben quantitativen Ergebnissen kommt es dabei vor allem auf qualitative Antworten an. Passende Fragen wären dabei zum Beispiel:
• Wie nehmen Angestellte die Unternehmenskultur wahr?
• Sind Mitarbeiter:innen mit den gelebten Werten zufrieden?
• Inwiefern stimmen theoretische Werte und Wirklichkeit miteinander überein?
Was versteht man unter einer starken vs. schwachen Unternehmenskultur?
Eindeutigkeit
Starke Unternehmenskultur
Klare Trennung zwischen erwünschtem und unerwünschtem Verhalten
Schwache Unternehmenskultur
Differenzierte Verhaltensregeln, variable Vorgaben, keine Konsequenzen für Abweichungen
Verbreitung
Starke Unternehmenskultur
Großteil Mitarbeiter:innen
Schwache Unternehmenskultur
Wenige Angestellte, nur einzelne Abteilungen/Führungskräfte
Verankerung
Starke Unternehmenskultur
Werte werden automatisch in passendes Verhalten umgesetzt und befolgt
Schwache Unternehmenskultur
Werte spielen bei der Entscheidungsfindung eine untergeordnete Rolle
Persistenz
Starke Unternehmenskultur
Unternehmenskultur bleibt über lange Zeiträume konstant
Schwache Unternehmenskultur
Unternehmenskultur unterliegt starken Schwankungen, oft abhängig von Führungskräften
Nicht verwechseln sollten Sie eine schwache Unternehmenskultur mit einer Unternehmenskultur, die das Individuum in den Vordergrund stellt. Hier trifft zwar jeder Einzelne eigene Entscheidungen, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind als Werte einer starken Unternehmenskultur aber tief verankert.
Bedeutung der Unternehmenskultur in HR und Recruiting
So verändern und verbessern Sie Ihre Unternehmenskultur
Viele Unternehmen scheitern beim Versuch, ihre Kultur zu ändern, weil sie einen entscheidenden Fehler machen. Sie setzen auf der sichtbaren Ebene an und geben ihren Angestellten bestimmte Verhaltensweisen vor. Wie das aussehen kann, erläutern wir im Folgenden an zwei Beispielen.
Kulturwandel zu einer diversen Unternehmenskultur
Nach wie vor sind mehr als zwei Drittel aller Führungskräfte in Deutschland männlich. Viele Unternehmen möchten diverser werden und versuchen unter Umständen, dies durch Quotenregelungen zu erreichen. Dabei handelt es sich aber um Maßnahmen auf der Verhaltensebene. Effektiver wäre aufzudecken, welche falschen Grundannahmen die Entwicklung hin zu einem diversen Unternehmen verhindern. Das könnten zum Beispiel folgende, leider immer noch weit verbreiteten Vorurteile sein:
• Männer sind durchsetzungsfähiger als Frauen
• Frauen können Beruf und Familie nicht miteinander vereinen
• Frauen sind weniger belastbar
Indem ein neuer Leitgedanke „Frauen und Männer sind gleichermaßen wertvoll und leistungsfähig“ erfolgreich etabliert wird, werden automatisch diskriminierende Verhaltensweisen reduziert. Das eröffnet die Möglichkeit, sich zukünftig zu einem diversen und gleichzeitig allen Angestellten gegenüber wertschätzenden Unternehmen zu entwickeln.
Kulturwandel zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur
Nachhaltigkeit in Unternehmen gehört zu den Trendthemen der letzten Jahre. Wenn es um die Umsetzung nachhaltiger Verhaltensweisen geht, stoßen viele Betriebe auf Schwierigkeiten. Das liegt oft daran, dass Angestellte keinen Sinn in neuen Arbeitsprozessen sehen, die zwar die Umwelt schonen, aber auch aufwendiger sind. Zugrundeliegende Annahmen können dabei wie folgt lauten:
• Das Verhalten einzelner hat keinen entscheidenden Einfluss.
• Wahrnehmung anderer Menschen als feindselig oder schlecht.
• Veränderungen sind bedrohlich.
Im ersten Schritt sollten Unternehmen in einer solchen Situation das Verantwortungsgefühl und die Selbstwirksamkeit sowie das Menschenbild ihrer Mitarbeiter stärken. Indem sie außerdem für die Chancen von Veränderungen werben und begeistern, können Unternehmen im Vorfeld erarbeitete Nachhaltigkeitsstrategien schneller und effektiver umsetzen. Gleichzeitig wirkt sich die Verbesserung der Unternehmenskultur positiv auf die Zufriedenheit aller Beteiligten aus.
Fazit: Unternehmenskultur als Herausforderung und Erfolgsfaktor
Nicht umsonst ist die Unternehmenskultur ein stark diskutiertes Feld der Organisations- und Wirtschaftspsychologie. Das Zusammenspiel zahlreicher Menschen, derer persönlichen Werte und Verhaltensweisen schafft ein nicht zu überblickendes Netz an verschiedenen Faktoren. Indem Sie die Grundzüge des Aufbaus und der Entwicklung einer Unternehmenskultur verstehen, haben Sie aber bereits viel gewonnen. Diese Erkenntnis ermöglicht es Ihnen, gezielt an einer positiven Kulturentwicklung zu arbeiten und dadurch den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs zu fördern.