Die Arbeitswelt befindet sich, genauso wie die Gesellschaft und die Menschheit im Allgemeinen, stetig im Wandel. Die rasante technologische Entwicklung der letzten fünfzig Jahre hat dafür gesorgt, dass diese Veränderungen immer schneller vonstattengehen. Für Unternehmen heißt das, dass sie neue Trends und Bewegungen keinesfalls verpassen dürfen, wenn sie nicht von ihren Mitbewerbern abgehängt werden wollen. Essenziell in dieser Hinsicht ist das Prinzip von New Work, der neuen Arbeit. Es gehört zweifellos zu den Buzzwords, die zwar jeder kennt, deren Hintergründe und Details aber den wenigsten bekannt sind. Wir geben Ihnen daher hier einen kurzen Überblick.
Das Konzept der New Work von Frithjof Bergmann
Entwickelt und geprägt wurde der Begriff der New Work vom Sozialphilosophen und Anthropologen Frithjof Harold Bergmann. Geprägt von den Nachwirkungen und dem Leid des Zweiten Weltkriegs begann er schon früh zu überlegen, wie die Welt zum Wohle der Menschen verbessert werden könnte. Als sich in den 70er-Jahren das Scheitern des Sozialismus in Osteuropa immer stärker abzeichnete, begann Bergmann, sich mit dem Kapitalismus auseinanderzusetzen und entwickelte das Konzept der New Work als Gegenmodell zur traditionellen Lohnarbeit. Ins Zentrum seines Konzeptes der Neuen Arbeit stellte Frithjof Bergmann die Vorstellung einer umfassenden Freiheit, die Menschen ermöglichen sollte, das zu tun, was sie „wirklich wollen“. Anstatt den Menschen als Diener des Produktionsprozesses solle die Arbeit zur sinnstiftenden Möglichkeit der Selbstverwirklichung für den Menschen werden. Bergmann sah dabei insbesondere in der fortschreitenden Automatisierung eine große Chance in dieser Hinsicht. Gleichzeitig sollten die Menschen auf unnötigen Konsum und überflüssige Gegenstände verzichten und dadurch die Notwendigkeit traditioneller Fabriken verringern.
Der Aufstieg von New Work
Zur Umsetzung seiner Ideen, die zu seiner Zeit von vielen als Sozialutopie angesehen wurden, gründete Bergmann Zentren für Neue Arbeit. Diese sollten sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer:innen als Anlaufstelle dienen. Letztere sollten dort ihre Selbstunkenntnis überwinden und dadurch Zugriff zu ihren eigenen Wünschen, Träumen und Begabungen erhalten – eine wichtige Voraussetzung, um diese in Einklang mit ihrer Arbeit zu bringen. Ihre zunehmende Bedeutung verdankt New Work nur zu einem kleinen Teil ihrem Begründer und den frühen Anhängen. Vielmehr ist es der starke Wandel der Arbeitswelt, der neue Strukturen und Ansätze regelrecht einfordert: Wie von Bergmann richtig beobachtet, nimmt durch die zunehmende Automatisierung der Bedarf an einfachen Arbeitskräften immer stärker ab. Einhergehend mit dem niedrigen Lohnniveau solcher ‚ungelernten Kräfte‘ und dem relativen Wohlstand der westlichen Industrieländer bietet die traditionelle Fabrikarbeit heute keine erstrebenswerte Arbeitswelt mehr. Gleichzeitig ist die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten von einem gravierenden Wertewandel geprägt: Zuerst für die Generation Z und in zunehmendem Maße die nun auf den Arbeitsmarkt strömende Generation Z spielt die Selbstverwirklichung eine wesentlich größere Rolle bei der Berufswahl als wirtschaftliche Zwänge und Überlegungen. Die Aufweichung traditioneller familiärer und gesellschaftlicher Strukturen hinterlässt bei ihnen ein Sinnvakuum, das sie durch die Arbeit zu füllen gedenken. Gleichzeitig messen jüngere Generationen ihrer persönlichen Freiheit einen größeren Wert zu und wollen diese auch in Hinsicht auf die Arbeit in ihrem Leben voll ausleben. Um in Zeiten des stärker werdenden Fachkräftemangels nach wie vor vielversprechende Talente für sich zu gewinnen, bleibt vielen Unternehmen nichts anderes übrig, als auf die Wünsche potenzieller Arbeitnehmer:innen einzugehen. Die jungen Generationen belohnen Firmen, die ihnen die von ihnen gewünschte Freiheit und Selbstständigkeit sowie sinnstiftende Tätigkeiten anbieten. Gleichzeitig geraten Betriebe, die an traditionellen Hierarchien und Arbeitsmodellen festhalten, zunehmend ins Hintertreffen. Seit der Jahrtausendwende gewinnt New Work daher zunehmend an Bedeutung – prinzipiell unabhängig, aber doch oft nach dem Vorbild ihres Begründers.
Die fünf Prinzipien der New Work für Unternehmen
Der deutsche Psychologe Markus Väth nahm die Thesen von Bergmann auf und begann sie für die moderne Arbeitswelt weiterzuentwickeln. Dabei definierte er fünf Prinzipien, nach denen Unternehmen den Grundgedanken der New Work in ihre Arbeitskultur integrieren können:
- Freiheit: Experimentierräume und eine Kultur des Unperfekten schaffen Freiräume, in denen sich Arbeitnehmer:innen frei und ohne Angst entwickeln können.
- Selbstverantwortung: Selbstorganisation und Beteiligungsmodelle ersetzen bisherige Möglichkeiten der Partizipation und stärken dadurch nicht nur die Freiheiten der Angestellten, sondern auch die Agilität des Unternehmens.
- Sinn: Nicht nur die Tätigkeit an sich, sondern auch die Aufgabe und Botschaft des gesamten Unternehmens kann und soll sinnstiftend und wertschöpfend gestaltet werden.
- Entwicklung: Offenheit für Neues und Veränderung sind wesentliche Anforderungen, die Unternehmen heute erfüllen müssen, sowohl um konkurrenzfähig zu bleiben als auch um auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen einzugehen.
- Soziale Verantwortung: Unternehmen sind keine von der restlichen Welt losgelösten Mikrokosmen, sondern existieren in ständigem Austausch mit ihrer Umwelt. Nachhaltiges Wirtschaften und soziales Engagement sind deshalb unerlässlich für eine wertschöpfende Position in der Gesellschaft, wie moderne Arbeitnehmer:innen es von ihren Arbeitgebern verlangen.
New Work in der heutigen Arbeitswelt
Wer heute von New Work redet, bezieht sich nur selten auf den ursprünglichen Entwurf von Frithjof Bergmann. Stattdessen dient die Bezeichnung nun als Überbegriff für alternative Arbeitsmodelle und Arbeitsformen. Dadurch ist die moderne Verwendung unscharf und nur schwer einzugrenzen. Unter New Work fallen zum Beispiel folgende Konzepte und Beispiele.
Flexible Arbeitszeiten mit Abkehr von der 40-Stunden-Woche
Der klassische Bürojob mit starren Arbeitszeiten hat zunehmend ausgedient. Natürlich gibt es viele Bereiche, in denen Schicht-Modelle und feste Anwesenheitszeiten unumgänglich sind. Überall sonst setzen sich aber zunehmend erst Gleitzeit und dann sogar komplett flexible Arbeitszeiten, falls erforderlich mit einer verpflichtenden Kernarbeitszeit, durch. Die in den letzten Jahrzehnten immer bedeutendere Work-Life-Balance wird durch das sogenannte Work-Life-Blending ersetzt. Arbeits- und Freizeit verschwimmen immer mehr, sodass persönliche Bedürfnisse im Tagesverlauf berücksichtigt werden können. Gleichzeitig zeigen sich immer stärkere Tendenzen zur Abkehr von der klassischen 40-Stunden-Woche – nachdem Studien und Modellprojekte mit überwältigender Mehrheit fast ausschließlich positive Auswirkungen einer geringeren Arbeitszeit dokumentieren.
Remote Work und Mobiles Arbeiten
Die weltweite Vernetzung macht die Anwesenheit vor Ort in vielen Berufen nahezu überflüssig. Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen haben das Potenzial von Remote Work deutlich gemacht: Die überwiegende Mehrheit der Angestellten wünscht sich in Zukunft mehr Möglichkeiten, von zuhause aus zu arbeiten, um durch den Wegfall von Pendelstrecken und mehr Flexibilität die Work-Life-Balance zu verbessern und mehr persönliche Freiheiten zu genießen.
New Workspace
Mit flexiblen Arbeitszeiten und Remote Work ändern sich auch die Anforderungen an Bürogebäude. Sie müssen nicht mehr allen Mitarbeiter:innen auf einmal einen Platz bieten. Shared Workplaces gewinnen dadurch ebenso an Bedeutung wie vielfältigere Bürolandschaften mit spezialisierten Bereichen. Anstatt gleichförmiger Großraumbüros sind moderne Workspaces mit verschiedenen Zonen ausgestattet, die jeweils ideale Bedingungen für unterschiedliche Tätigkeiten bieten. Das reicht von der Ruhezone über Telefonboxen bis hin zum offenen Raum für Austausch und teamorientierte Projektarbeit.
Neue Unternehmenskultur
New Work bietet Arbeitnehmer:innen nicht nur mehr Freiheiten, sondern auch mehr Mitspracherecht in ihrem Unternehmen. Anstatt lediglich Befehle aus der Führungsebene zu empfangen, können sie sich zunehmend mit ihren Ideen einbringen und Bedürfnisse äußern, die dann auch gehört werden. Der Erfolg eines Betriebes wird zunehmend nicht mehr nur als Ergebnis des CEOs, sondern als gemeinschaftliche Leistung aller Beteiligten angesehen. Dementsprechend steigt die Wertschätzung für alle Angestellten und Hierarchien flachen zunehmend ab – ohne jedoch völlig zu verschwinden.