Bewerber:innen als Kunden – Die Candidate Journey
Im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen bezeichnen Marketing-Expert:innen den Weg vom ersten Kontakt bis zum Kauf als Customer Journey. Im Rahmen der Kundenbindung wurde dieser Weg, auf dem Unternehmen und (potenzielle) Kund:innen immer engere Beziehungen eingehen, immer weiter ausgebaut und verlängert. Im Rahmen des sogenannten Customer-Managements sorgen Marketingexpert:innen dafür, dass jeder Kontakt reibungslos verläuft, um der Marke durch absolute Zufriedenheit die Loyalität der Kaufenden zu sichern. Entsprechend des Kaufprozesses zwischen Kund:innen und Unternehmen kann auch der Bewerbungs- und Einstellungsprozess zwischen Talenten und HR als eine Reise gesehen werden. Die Veranschaulichung als Candidate Journey hilft Ihnen dabei, zentrale Elemente, Wünsche und Bedürfnisse von Bewerber:innen systematisch zu erfassen. Die Abbildung des Recruiting-Prozesses und Einteilung in verschiedene typische Phasen erleichtert eine umfassend zufriedenstellende Candidate Experience und erleichtert es Ihnen, einzelne Maßnahmen zu einem großen Ganzen mit einem stimmigen Konzept zusammenzufügen.
Candidate Journey und Candidate Experience: Wo ist der Unterschied?
Die beiden Begriffe der Candidate Journey und der Candidate Experience sind beide dem Marketing entlehnt und eng miteinander verknüpft. Die Candidate Journey beschreibt den Weg von Bewerbern und Bewerberinnen und widmet sich dabei insbesondere den verschiedenen Kontaktpunkten mit dem Unternehmen. Die Candidate Experience fasst hingegen alle dabei gemachten Erfahrungen zusammen. Je nachdem, ob dabei gute oder schlechte Eindrücke überwiegen, fällt sie insgesamt positiv oder negativ aus. Um Ihre Candidate Experience zu verbessern, empfiehlt es sich, diese auf den einzelnen Etappen der Candidate Journey zu betrachten. So wird schnell deutlich, an welchen Stellen es hapert und wo Sie Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Bewerber:innen bereits größtenteils erfüllen.
Die sechs Phasen der Candidate Journey
Die Anzahl der Phasen, in die Expert:innen die Candidate Journey einteilen, variiert. Am weitesten verbreitet ist das 6-Phasen-Modell. Es stellt sich folgendermaßen dar:
Anziehungsphase
Intention Bewerber
Interessante und lohnende Stellenangebote finden
Intention Unternehmen
Qualifizierte Talente auf sich aufmerksam machen
Mögliche Touchpoints
• Jobmessen
• Jobbörsen
• Social Media
• Stellenanzeigen
• Arbeitgeberportale
Informationsphase
Intention Bewerber
Abgleich der eigenen Vorstellungen mit dem Angebot des Unternehmens
Intention Unternehmen
Mit Corporate Benefits und Employer Brand Interessent:innen überzeugen
Mögliche Touchpoints
• Homepage inklusive Karriereseite
• Stellenanzeigen
• Arbeitgeberportale
• Arbeitgeberbewertungen
Bewerbungsphase
Intention Bewerber
Einfach, schnell und unkompliziert bewerben
Intention Unternehmen
Informationen von Bewerber:innen, erhalten um die Auswahl zu vereinfachen
Mögliche Touchpoints
• Karriereseite
• Chat-Bot
• Mobile Recruiting
• Bewerberportal
Auswahlphase
Intention Bewerber
Arbeitgeber, ausgeschriebene Stelle und potenzielle Kolleg:innen tiefergehend kennenlernen
Intention Unternehmen
Bestmögliche Kandidat:innen auswählen
Mögliche Touchpoints
• Telefon
• Vorstellungsgespräch
• Teammeetings
Einstellungsphase
Intention Bewerber
Arbeitsvertrag unterschreiben und Informationen zum weiteren Vorgehen erhalten
Intention Unternehmen
Vorteilhafter Vertragsabschluss
Mögliche Touchpoints
• Telefon
• Persönliches Treffen
• Interne Kommunikationssysteme
Onboarding und langfristige Bindung
Intention Bewerber
Integration in das Team und die Abteilung sowie Einarbeitung in die spezifischen Aufgaben und Abläufe
Intention Unternehmen
Neue Mitarbeiter:innen erbringen schnell gute Leistungen
Mögliche Touchpoints
• Teammeetings
• Interne Kommunikation
• Teambuilding
• Events
• Mitarbeitergespräche
Häufige Probleme der Candidate Journey
Jede Phase der Candidate Journey hat ihre eigenen Herausforderungen und Probleme, mit denen sich Verantwortliche in HR und Recruiting konfrontiert sehen. Doch für jede Schwierigkeit gibt es auch eine Lösung. Mit diesen Tipps meistern Sie Anfangsschwierigkeiten auf dem Weg zur unbeschwerten Reise für Ihre Bewerber:innen.
1. Anziehung: Wer sind Sie? Noch nie gehört!
Kleine und mittelständische Unternehmen sind außerhalb ihrer Branche meist nahezu unbekannt. Vor allem Betriebe im B2B-Geschäft sind selbst Anwohnern der Region oft kein Begriff. Das macht es natürlich schwer, qualifizierte Talente auf Sie aufmerksam zu machen. Zum Glück gibt es viele Möglichkeiten, Ihre Zielgruppe direkt anzusprechen und sich einen guten Ruf als Arbeitgeber aufzubauen:
• Jobmessen:
Vor allem stark regional geprägte und branchenspezifische Veranstaltungen sind genau der richtige Rahmen, um Ihre Bekanntheit in der relevanten Zielgruppe zu steigern.
• Recruiting Kampagnen:
Eine breit angelegte Recruiting Kampagne bedeutet einen großen Planungsaufwand. Richtig auf Ihre Zielgruppe zugeschnitten verspricht sie aber entsprechenden Erfolg.
• Programmatic Job Advertising:
Mit dieser speziellen Marketing-Technik erreichen Sie Ihre Zielgruppe passgenau und mit verblüffend geringem Aufwand.
Profi-Tipp:
Erleichtern Sie Interessent:innen beim Kennenlernen den Übergang zur zweiten Phase der Candidate Journey! Das gelingt, indem Sie auf Jobmessen Flyer mit allen relevanten Informationen am Stand haben oder im Rahmen Ihrer Recruiting Kampagne auf den Karriereteil Ihrer Webseite verlinken. Mithilfe von QR-Codes machen Sie auch analoge Materialien digital und verweben somit gekonnt die unterschiedlichen Kanäle.
2. Informationen richtig dosieren
Im zweiten Schritt wollen Interessent:innen möglichst viel über Ihr Unternehmen in Erfahrung bringen. Schließlich wollen sie wissen, mit wem sie es zu tun haben und ob die Vorstellungen ihres Gegenübers mit ihren übereinstimmen. Der häufigste Fehler in diesem Bereich ist nach wie vor, dass Unternehmen zu wenige und zu vage Informationen in ihre Stellenanzeige packen. Befragungen ergeben, dass sich Jobsuchende konkrete Stellenbeschreibungen und Anforderungen wünschen. Ideal ist es, wenn Sie dabei zwischen zwingenden und optionalen Eigenschaften unterscheiden. So können Sie möglichst viele Faktoren anführen, ohne potenzielle Bewerber:innen zu verschrecken. In Sachen Informationen gibt es aber auch zu viel des Guten: Damit die Stellenanzeige nicht zu lang und unübersichtlich wird, lagern Sie tiefer gehende Einblicke am besten auf eine Karriereseite aus. So bleibt alles schön geordnet, Interessent:innen können aber nach wie vor jederzeit mehr erfahren.
3. Bewerbung: Am liebsten schnell und einfach
In den letzten Jahren sind Bewerber:innen immer ungeduldiger geworden: Mehr als die Hälfte von ihnen wollen nicht länger als zehn Minuten mit dem Ausfüllen von Online-Formularen verbringen. Vor allem kleinere und unbekanntere Unternehmen können oft von verschlankten Prozessen profitieren. Wenn die Bewerbung mit wenigen Klicks abgeschickt ist, haben Interessent:innen nur wenig zu verlieren und zögern weniger. Um den Bewerbungsprozess zu verschlanken und zu beschleunigen, stehen Ihnen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
• One-Click-Bewerbung
• Lebensläufe von Karrierenetzwerken importieren
• Bewerbung ohne Anschreiben
• Intuitive und einfach zu verstehende Oberflächen und Menüführung
• Persönliche/r Ansprechpartner:in oder Chat-Bot für Rückfragen
Profi-Tipp:
Erleichtern Sie Bewerber:innen auch das Auffinden der Schaltfläche zum Bewerben oder den Zugang zu Bewerbungsmodalitäten. Indem Sie diese in der Stellenanzeige prominent platzieren, können Sie im Idealfall die Konversionsrate von Leser:innen zu Bewerber:innen erhöhen.
4. Auswahl: Kommunikation und Transparenz als Zauberworte
Dass Bewerber:innen keine Antwort bekommen oder Monate auf eine Rückmeldung warten müssen ist derzeit noch Standard. Tatsächlich hat knapp die Hälfte der Jobsuchenden nach einer Woche ohne Antwort deutlich weniger Lust, den Rekrutierungsprozess fortzuführen. Kein Wunder also, dass Unternehmen, die innerhalb weniger Tage antworten, sich mehr Talente schnappen können. Vorteilhaft ist außerdem eine automatische Bestätigung, dass die Bewerbung eingegangen ist. Sie versichert Bewerber:innen, dass alles geklappt hat und sie bald mit einer Antwort rechnen können.
Entweder die Stellenanzeige selbst, die automatische Rückmeldung oder die erste Nachricht danach sollten Bewerber:innen außerdem über den Ablauf des Auswahlverfahrens informieren:
• Wie viele Stufen gibt es?
• In welchen Zeiträumen werden diese absolviert?
• Wann finden die ersten Vorstellungsgespräche statt?
• Wann erfolgt danach die Rückmeldung?
• Wie lange dauert es bis zur Vertragsunterzeichnung?
Bewerber:innen, die einen klaren Fahrplan vom Unternehmen erhalten, fühlen sich auch bei längeren Wartezeiten weniger vergessen und abgestellt. Ihre Motivation, den Rekrutierungsprozess bis zur Einstellung fortzuführen, leidet weniger als wenn Sie Kandidat:innen einfach in der Luft hängen lassen. Ein weiterer Pluspunkt: In vielen Unternehmen führt allein die Auseinandersetzung mit dem Auswahlverfahren dazu, dass es verschlankt und beschleunigt werden kann.
5. Einstellung: Wie war das mit Transparenz?
Künftigen Mitarbeiter:innen vor Ort mit einem Arbeitsvertrag zu konfrontieren, den sie sofort unterzeichnen sollen, ist out. Viele Personaler erhoffen sich damit, die Rate von Bewerber:innen zu Einstellungen zu verbessern. Wer seinen Vertrag unter Druck unterschreibt, kündigt aber meist nach kurzer Zeit wieder. Versprechungen und Benefits, von denen in der Stellenanzeige, auf der Karriereseite oder im Vorstellungsgespräch die Rede war, sollten sich genauso wie besprochen auch im Arbeitsvertrag wiederfinden. Dass Bewerber:innen Bedenkzeit bekommen und Rückfragen zu einzelnen Passagen stellen können, sollte selbstverständlich sein. Im Idealfall ist der Vertrag aber so verständlich formuliert, dass das gar nicht nötig ist.
6. Onboarding: Wie, Sie arbeiten jetzt hier?
Am ersten Arbeitstag erst einmal die nötigen Anmeldedaten aus fünf verschiedenen Abteilungen zusammensuchen und dann alleine überfordert vor dem Rechner sitzen? Diese Praxis vermiest garantiert jeder Neueinstellung die Laune. Am besten beginnt das Onboarding direkt nach dem Unterzeichnen des Arbeitsvertrags:
• Anlegen nötiger Benutzerkonten über die IT
• Einrichtung eines Arbeitsplatzes mit der nötigen Ausstattung
• Zusammenstellung einer Willkommensmappe mit allen wichtigen Eckdaten
• Übermittlung der Informationen zum ersten Arbeitstag
• Planung von Meetings zum Kennenlernen der Kolleg:innen und Abteilung
• Zuweisung eines Paten oder einer Patin als Ansprechpartner:in in den ersten Wochen
• Planung von Schulungen zur Einarbeitung
• Ansetzen von Feedbackgesprächen zur Überwachung des erfolgreichen Onboardings
Fazit: Kandidat:innen auf einer Candidate Journey mit vielen Tücken
Eine rundum zufriedenstellende Candidate Journey ist eine große Herausforderung. Überall lauern kleine und größere Fallen und Unannehmlichkeiten auf Arbeitssuchende. Wer einen klaren Pfad durch den Bewerbungsdschungel vorgibt und die einzelnen Abschnitte klar miteinander verbindet, erweist sich hier als guter Wegweiser. Sind die nächsten Schritte nach der Einstellung ebenfalls gut geplant, können Sie freie Stellen nicht nur kurzfristig neu besetzen, sondern zufriedene Mitarbeiter:innen auch langfristig für sich gewinnen.